Samstag, 5. November 2011

Das Private ist politisch

schreibt Elfriede Müller für Europolar über die Krimiautorin Christine Lehmann

Romane über das männliche Unvermögen und die Lust am Tod

„Aber ich war sowieso immer falsch, das gibt einem eine gewisse Sicherheit.“ 

Lisa Nerz, die queere Journalistin und Heldin der bei Ariadne verlegten Hardboiledromane von Christine Lehmann, ist das Gegenmodell zu Emma Bovary, Béatrix und anderen Frauenfiguren aus der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts, mit denen sich die Autorin wissenschaftlich beschäftigte, bevor sie als Schriftstellerin tätig wurde. Christine Lehmann ist vielseitig: sie schreibt Kriminalromane, Liebesromane für Jugendliche, Romane schlechthin, feministische Artikel für Das Argument, Hörspiele, ein Handbuch für Krimiautorinnen und neuerdings bringt sie Lisa Nerz ans Theater. Ihr Roman Der Bernsteinfischer von 2000 wurde 2005 verfilmt. Der erste Lisa Nerz Roman Vergeltung am Degerloch erschien 1997, zunächst bei Rowohlt wie die nächsten beiden auch, und liest sich, als sei er aus den 80er Jahren. Die feministische Zeitschrift Amazone, für die Lisa schreibt, erinnert stark an die Anfänge von Emma oder Courage. Der im Vergleich zu den folgenden Lisa-Nerz-Fällen konfuse Text legt die Grundlagen für das weitere Erfolgsmodell: intelligenter Feminismus, Gesellschaftskritik, Witz, guter Sex, unfähige staatliche Institutionen, geschliffener Stil und große Charaktere. 
...  Dass Lisa Nerz und Richard Weber Kunstfiguren sind, die fast schon an Cyborgs erinnern und im wahren Leben sicher nie zusammengefunden hätten (auch weil es sie leider nicht gibt!), macht die Romane umso realistischer. Die beiden Biographien fügen sich im Fluss der Literatur zusammen und vor allem deshalb macht es Sinn, die Romane in chronologischer Reihenfolge zu lesen. Die einzelnen Plots tragen sich allein, aber die Subjekte entfalten sich in ihrer Komplexität erst im Zuge der Ereignisse.

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